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Wann wird Deutschland endlich islamisch? – Teil 7: Gibt es denn nichts Gutes an Deutschland?

#1 von Yavuz Özoguz , 06.02.2017 17:07

Wann wird Deutschland endlich islamisch? – Teil 7: Gibt es denn nichts Gutes an Deutschland?

Bevor die Serie fortgesetzt wird, soll in einem kurzen Zwischenruf daran erinnert werden, was die Absicht der Serie ist; nämlich Deutschland voranzubringen auf dem Weg der Menschlichkeit und Nächstenliebe.

Viele Mails erreichen mich an diesen Tagen mit dem Hinweis, dass ich doch in den Iran, in die Türkei oder in irgendein anderes Land gehen solle, wenn es mir hier nicht gefalle! Das erinnert sehr stark an die Zeit des so genannten Radikalenerlasses, an die sich nur die älteren Leser erinnern werden [1]. Damals hieß es unter anderem: „Geht doch nach drüben!“ Mit „drüben“ war die DDR gemeint. Viele verarmte Bürger der heutigen Westlichen Welt – also ein bis zwei Generationen nach dem Radikalenerlass in Deutschland – insbesondere aus den USA würden gerne heute in die damalige DDR wechseln, wenn sie die Chance dazu hätten. Aber ist das wirklich der geeignete Umgang mit Kritik? Warum wird nicht um die Kritik debattiert und stattdessen der Kritiker angegriffen? Wenn die Kritik haltlos ist, warum muss man dann den Kritiker verjagen? Und wenn sie berechtigt ist, wird sie sich dann in Luft auflösen, wenn der Kritiker weg ist?

Auch inhaltliche Kritik hat mich erreicht. Teilweise beruhte die Kritik der Texte auf Unwissenheit. Allein die Tatsache, dass ich darauf verwiesen habe, dass die Muslima seit 1400 Jahren ein Erbrecht hat und als ggf. einzige Tochter der Eltern alles erbt und die westliche Frau bis hin ins Mittelalter davon nur träumen konnte und bis in die 1960 Jahre nicht über ihr eigenes Eigentum verfügen konnte, hat zu großen Proteststürmen geführt, warum ich die Tatsachen verdrehen würde. Hier genügte ein Hinweis auf deutsche Studien von deutschen Professorinnen, die den Lesern die Augen geöffnet haben. Andere Kritik bezog sich auf die Behandlung der Behinderten. Eine durchaus berechtigte Kritik richtete sich auf die Jahre zwischen der Geburt und dem Ableben, und dass es kaum ein Land auf der Erde gibt, in dem so viel für den nicht abgetriebenen Behinderten getan wird, wie in Deutschland. Die guten Seiten Deutschlands sollen hier nicht klein geredet werden. Dennoch darf man sicher auch die Frage aufwerfen, ob so manche Regel nicht eher eine rein kapitalistische Regel ist (z.B. bestimmte Bauvorschriften für Behinderte bei öffentlichen Bauten, nicht aber bei privaten Bauten). Im Jahr 1980 gab es in Deutschland ein Skandalurteil, dass eine Gruppe Schwerbehinderter eine Beeinträchtigung des Urlaubsgenusses darstellen könne [2]. Seither behandeln zahlreiche Sammlungen Rechtsurteile gegen Behinderte im Land [3]. Doch all das ändert nichts an der Tatsache, dass Deutschland zu den behindertenfreundlichsten Ländern gehört.

Auch bezüglich der anderen bisher behandelten Themen der Serie kann sicherlich festgehalten werden, dass Deutschland im Weltvergleich zu den besten 20 Staaten gehören dürfte. Zwar gibt es in Deutschland kein Grundeinkommen (Teil 1) aber es gibt andere Formen der Grundsicherung, von denen andere Länder nur träumen können. Was die Thematik der Berührungsexklusivität (Teil 2) angeht, so kann zumindest der Traum vieler Deutscher nicht geleugnet werden, langfristig eine monogame Beziehung führen zu wollen, selbst man kaum noch lernt, wie das geht. Die Würde des Menschen (Teil 3) wird sicherlich in Deutschland weitaus besser geschützt als in den allermeisten Ländern dieser Welt, wozu auch die körperliche Unversehrtheit (Teil 4) gehört. Zwar verdienen Frauen in Deutschland für die gleiche Arbeit im Schnitt immer noch weniger als Männer und ihre Berufschancen sind nicht gleich. Zudem wird die Tätigkeit als Familienmanagerin nicht hinreichend gesellschaftlich wie finanziell gewürdigt, aber dennoch ist der Gleichberechtigungsgrundsatz (Teil 5) in Deutschland besser umgesetzt als in den meisten Ländern dieser Welt, vor allem besser als in vielen muslimischen Ländern! Und der Umgang mit Behinderten (Teil 6) wurde bereits erwähnt.

Manche Muslime sagen: Der Islam hat die Ideale aber die Nichtmuslime haben heutzutage die Umsetzung. Wozu dann diese Serie mit diesem provokativen Titel? Die Antwort darauf ist vielschichtig: Viele Muslime in Deutschland haben es wirklich satt für jedes Verbrechen, für jedes Problem auf Erden schuldig gesprochen zu werden und sich dafür rechtfertigen zu müssen. Viele Muslime in Deutschland haben es satt, nicht als Deutsche anerkannt zu werden, obwohl sie schon in dritter oder vierter Generation hier leben, von den deutschen Konvertiten einmal ganz zu schweigen. Will eine muslimische Gemeinde hier eine Moschee bauen, dann heißt es: Sieh erst einmal zu, dass in Saudi-Arabien Kirchen gebaut werden dürfen. Aber was haben wir als deutsche Muslime mit Saudi-Arabien zu tun? Wenn ein Katholik die Gleichberechtigung der Frau in Deutschland einfordert, wird dann von ihm auch verlangt, dass er diese erst einmal im Vatikan umsetzt? Der Vatikan ist der Staat des Oberhauptes der Katholiken. Saudi-Arabien hingegen ist ein westlich gestütztes Königreich, mit denen sich kaum ein Muslim in Deutschland identifiziert!

Ein weiterer Aspekt für die Serie ist die zum Himmel schreiende Arroganz, mit der gegen die eigenen Muslime vorgegangen wird. Alles, was vom Islam kommt, sei schlecht oder rückschrittlich und alles, was von Westen kommt, sei gut und modern. Das ist aber nicht so! Viele Verbrechen der heutigen Welt sind von der Westlichen Welt begangen worden. Der Kolonialismus, der Imperialismus, der Abwurf der Atombombe, der Einsatz von Giftgas in Vietnam und Urangeschossen im Irak sind keine muslimischen Errungenschaften. Die Arroganz verstellt den Blick zur Verbesserung der eigenen Lage.

Nicht zuletzt will ein deutscher Muslim die Lage in Deutschland verbessern und nicht in Saudi-Arabien, denn Deutschland ist seine Heimat, ob es rassistischen „Biodeutschen“ passt oder nicht. Um aber die Lage zu verbessern, muss man auf Missstände hinweisen. Dabei ist der Hinweis, dass es in Deutschland viel besser ist als in vielen andere Ländern nicht hilfreich. Vielmehr müsste die Frage lauten: Wie könnte es in Deutschland sein, wenn wir die Lage verbessern? Ich bin der festen Überzeugung, dass ein wirklich freies Deutschland, frei von der westlichen Welt aber auch frei von Nazis, das Potential dazu hat, ein Leuchtturm für Frieden und Gerechtigkeit auf Erden zu sein. Und dafür will ich mich einsetzen.

Wie sehr islamische Lebensregeln auch positiv auf Nichtmuslime wirken können, soll abschließend beispielhaft erläutert werden. Der Islam empfiehlt früh aufzustehen. Die Deutschen sind produktiver und leistungsfähiger als viele muslimische Länder, weil sie den Tag früh beginnen. Der Islam empfiehlt Fleiß und meisterlichen Einsatz in seinem Beruf. Noch immer ist die deutsche Ingenieursleistung weltweit angesehen, weil es so etwas wie Berufsethos vom Gesellen über den Meister bis hin zum Akademiker gibt. Der Islam empfiehlt Hygiene. Allein das geordnete und gepflegte Straßenbild der meisten Deutschen Straßen erzeugt in vielen muslimischen Ländern Neid. Der Islam empfiehlt dringend Planung und Einhaltung von Vereinbarungen. Deutschland gilt als Planungsweltmeister und die deutsche Pünktlichkeit ist sprichwörtlich. Der Islam schenkt Freiheit und empfiehlt intensives Nachdenken. Deutschland gilt als eines der innovativsten Länder der Welt. Sicherlich könnte ich diese Liste der positiven Merkmale meiner Heimat Deutschland und der hiesigen Bevölkerung noch lange fortsetzen.

Eine der wichtigsten Eigenschaften von Deutschland und den meisten Deutschen ist die Bereitschaft zur Weiterentwicklung. Diese ist nur möglich, wenn das Volk sich nicht spalten lässt und gemeinschaftlich die Schwachpunkte korrigiert. Zu den größten Schwachpunkten des Landes gehört das derzeitige Muslim-Bashing und die Sündenbock-Funktion, die den Muslimen im Zeitalter des untergehenden Kapitalismus zugedacht ist. Das muss geändert werden. Wir deutschen Muslime sollen uns eines Tages von unseren Enkeln nicht vorwerfen lassen müssen, dass wir nicht zumindest das uns mögliche getan haben, um dieser Entwicklung entgegen zu steuern. Der Radikalenerlass der letzten Generation feiert seine Widerauferstehung an diesen Tagen, an denen jeder seinen Job riskiert, der die Verbrechen des Zionismus anprangert. Deutschland sollte nicht immer wieder in die gleichen Fallen hineintappen.

Diese bisher offenbar viel gelesene (und viel kritisierte) Serie, ist diesbezüglich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Nur ein strömender Fluss könnte den Stein abkühlen lassen. Aber woraus besteht ein strömender Fluss denn außer aus lauter einzelnen Tropfen?

PS: Kritik kann direkt an den Autor gesandt werden über yavuz@muslim-markt.de

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Radikalenerlass
[2] http://www.zeit.de/1980/20/ein-unhaltbares-urteil
[3] http://www.schwbv.de/urteile.html


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RE: Wann wird Deutschland endlich islamisch? – Teil 7: Gibt es denn nichts Gutes an Deutschland?

#2 von Cengiz Tuna , 18.02.2017 17:05

Warum haben sich denn so viele auf diesen Teil gestürzt? Mit demselben Motto gibt es doch noch einige andere Themen, die jedoch kaum beachtet werden. Hier ist doch jetzt inhaltlich nicht so anderes, wie bei den anderen Themen. Seltsam.

Als ich das Motto „Wann wird Deutschland islamisch“ las, dachte ich mir, willst du das einige vor Aufregung einen Herzinfarkt bekommen. Auch wenn ich nicht so optimistisch bin wie du, so finde ich die „provozierende“ bzw. zum Nachdenken anregende Überschrift doch richtig gewählt.

Zitat
Warum wird nicht um die Kritik debattiert und stattdessen der Kritiker angegriffen? Wenn die Kritik haltlos ist, warum muss man dann den Kritiker verjagen? Und wenn sie berechtigt ist, wird sie sich dann in Luft auflösen, wenn der Kritiker weg ist?


Das ist immer so; erst mal lieber austeilen, als debattieren oder nachdenken. Hier haben sich so viele angemeldet, aber nur die Hälfte hat sich getraut, etwas zu schreiben. Kann mir vorstellen, dass viel Kritik kommen sollte.

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