#22 von
Werner Arndt
, 29.08.2018 12:36
Zitat von Yavuz Özoguz im Beitrag Wie Deutschland die Existenz des Judentums gefährdet
Die andere Existenzrechtsargumentation, dass vor soundsovielen tausend Jahren es schon ein Israel an jenem Ort gegeben hat, ist kaum haltbar, denn es ist ein willkürlicher Zeitpunkt der Geschichte herausgegriffen, um die Staatsgründung argumentativ zu belegen. Würde man einen anderen Zeitpunkt der Geschichte wählen, vorher oder nachher, so würde das Argument wegfallen.
Zitat
Wenngleich ich selber jüdischer Abstammung war, so erschien mir doch der Zionismus äußerst anstößig. Ich sah es als unmoralisch ап, daß fremde Einwanderer, von einer fremden Großmacht unterstützt, mit der unverhohlenen Absicht ins Land kamen, allmählich zur Mehrheit zu gelangen und auf diese Weise ein Volk, das dieses Land seit undenklichen Zeiten besessen hatte, zu enterben. … Ich entsinne mich noch einer kurzen Unterhaltung, die ich über diese Frage mit Dr. Chaim Weizmann hatte, dem unbestrittenen Führer der zionistischen Bewegung. …
» … Sie haben sich mit diesem Problem seit Jahren befaßt und kennen die Lage natürlich weit besser als ich. Aber ganz abgesehen von den politischen Schwierigkeiten, die der arabische Widerstand Ihnen in den Weg legen oder nicht legen wird - beunruhigt Sie denn die moralische Seite dieser Frage gar nicht? Glauben Sie nicht, es sei bitteres Unrecht, politisch und kulturell ein Volk zu verdrängen, dem dieses Land seit jeher Heimat war?«
»Aber es ist doch unsere Heimat!« versetzte Dr. Weizmann, die Augenbrauen hochhebend. »Wir erstreben ja nichts als das zurückzugewinnen, dessen man uns ungerechterweise beraubt hat.«
»Aber die Juden haben doch nahezu zweitausend Jahre nicht mehr in Palästina gelebt! Und vorher, bevor sie vertrieben wurden, herrschten sie hier kaum fünfhundert Jahre lang, und sogar damals nur über einen Teil des Landes und niemals über das ganze. Glauben Sie nicht, die Araber könnten mit derselben oder sogar einer besseren Berechtigung Spanien für sich zurückverlangen - denn sie führten ja fast siebenhundert Jahre lang das Zepter in Spanien und verloren es gänzlich erst vor fünfhundert Jahren?«
Dr. Weizmann war ersichtlich ungeduldig geworden: »Unsinn. Die Araber hatten ja Spanien nur erobert; es war ja nicht ihr Heimatland: sie waren Eindringlinge - und so war es nur recht, daß sie am Ende von den Spaniern vertrieben wurden.«
»Aber verzeihen Sie doch«, beharrte ich, »es scheint mir, Sie übersehen hier eine historische Tatsache. Wenn man's genau nimmt, kamen ja auch die Hebräer als Eroberer nach Palästina. Lange vor ihrem Erscheinen lebten viele andere semitische und nicht-semitische Stämme hier - die Amoriter, die Edomiter, die Philister, die Moabiter, die Hittiter. Diese Völkerschaften lösten sich doch nach der Ankunft der Hebräer nicht einfach auf, sondern blieben hier und lebten neben den Неbräern weiter. Sie lebten hier in den Tagen der Кönigreiche Israel und Juda. Sie lebten hier, nachdem unsere - Ihre und meine - Vorfahren von den Römern vertrieben wurden. Sie leben hier noch heute: denn sind die gegenwärtigen palästinensischen Araber in Wirklichkeit etwas anderes als Nachkommen jener amoritischen und edomitischen und moabitischen Urstämme?
Маn spricht sie heutzutage als Araber ап und vergißt dabei, daß die echten Araber, die sich in Раlästina und Syrien im Gefolge der islamischen Eroberungswelle ansiedelten, immer ja nur einen kleinen Bruchteil der Bevölkerung ausmachten und daß die überwältigende Mehrzahl der sogenannten palästinensischen und syrischen Araber in Wirklichkeit ja nur die arabisierten Ureinwohner des Landes sind. Ein Teil von ihnen nahm im Verlaufe der Jahrhunderte den Islam ап, der andere Teil blieb christlich; es war nur natürlich, daß die Muslims sich durch Heiraten weitgehend mit ihren Glaubensbrüdern aus Arabien vermischten: aber können Sie denn ernstlich in Abrede stellen, daß die Mehrheit der arabischsprechenden Palästinenser, ob Muslims oder Christen, in gerader Linie von den frühesten Bewohnern Palästinas abstammt: den frühesten, denn sie waren ja schon Jahrhunderte vor den Неbräern hier angesiedelt gewesen?«
Dr. Weizmann lächelte höfliсh und überlegen über meinen Ausbruch und nahm ein neues Gesprächsthema auf. ... Wie war es nur möglich, wunderte ich mich, daß geistig so begabte Мепschen wie die Juden den zionistisch-arabischen Widerstreit nur vom jüdischen Standpunkt aus betrachteten? Sahen sie denn gar nicht ein, daß das Problem der Juden in Раlästina letzten Endes nur durch friedliche Zusammenarbeit mit den Arabern zu lösen war?
(Muhammad Asad: "Der Weg nach Mekka", Patmos-Verlag 2009, S. 121 ff.)