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Warum bist Du von uns gegangen oh Befehlshaber der Liebenden (a.)?

#1 von Yavuz Özoguz , 10.08.2012 09:59

Warum bist Du von uns gegangen oh Befehlshaber der Liebenden (a.)?

Ein Kopf liegt mit der strahlenden Stirn auf der Erde. Normalerweise ist es die Erde, die die Stirn reinigt. Aber hier ist es die Stirn, die mit ihrem Blut die Erde reinigt. Ein Schwert kommt getragen von einem hasserfüllten Herzen hinterrücks und schlägt zu. Der Vertreter der Liebe sinkt zu Boden. Hat der Hass die Liebe besiegt?

Als der Befehlshaber aller Gläubigen und Gottesehrfürchtigen (a.) die Moschee von Kufa betrat, da wusste er, dass seine Zeit gekommen ist. Er wusste auch, wer das Schwert des Hasses tragen würde. Ja, er hat ihn sogar angesprochen. Warum konnte er nicht einfach wieder die Moschee verlassen, damit er bei uns bliebe? Warum konnte er nicht sein Schwert ziehen und sich verteidigen, derjenige, der zuvor jeden Angreifer zurückgeschlagen hatte? Hatte er sich nicht einstmals in das Bett seines geliebten Vorbildes, Imams und Propheten, in das Bett des Gottesgesandten Muhammad (s.) gelegt, um dann alle mörderischen Angreifer zurückzuschlagen? Damals lag er im Bett des Propheten (s.) und verteidigte ihn und seine Auswanderung. Warum hat er sich nicht jetzt selbst verteidigt? Und warum sahen manche Menschen in seinem Gesicht einen Anflug von großer Zufriedenheit und Dankbarkeit? Er wusste doch, was ihm geschehen wird!

Er ist doch das Tor zur Stadt des Wissens. Wer in die Stadt des Wissens will, musste doch durch dieses Tor gehen. Warum hat er uns dieses Tor entzogen? Hatte er uns nicht aufgefordert zu fragen, und immer wieder zu so lange er noch bei uns ist, damit wir einen Teil seines Wissens erhalten? Aber wir hatten doch noch so viele andere Fragen. Warum ist er gegangen, bevor wir alle unsere Fragen stellen konnten?

Er hat uns Reinheit gelehrt, Aufrichtigkeit, Tapferkeit, Wahrhaftigkeit und so vieles andere mehr, alles um unsere Sinne auf die Gottesehrfurcht zu lenken. Ja, all das hat er uns gelehrt, damit wir den Propheten (s.) besser verstehen könnten. Und wir sollten den Propheten (s.) besser verstehen, damit wir uns unserem Schöpfer besser annähern können. Warum nur hat er uns allein gelassen?

Er war dabei, als die ersten Verse offenbart wurden. Als Knabe durfte er den Vertreter des Lichtes in der Dunkelheit der Höhle besuchen um ihn mit Proviant von der Hand der ersten Muslima zu versorgen. Jeden Tag durfte er hoch auf den großen Berg des “Ichs“ steigen, um in dessen Dunkelheit gottergeben mitzuwarten. In der tiefen Höhle der Dunkelheit entfachte der Prophet ein Licht, das in unserer Sprache “Lies“ genannt wird, aber in der paradiesischen Sprache ein Lichtstrahl von einer unerschöpflichen Quelle ist, der nicht nur die Dunkelheit jener einen Höhle erstrahlen lässt, sondern jeden Berg des “Ichs“ zerstören kann und jedes Herz erreicht, wen das Herz sich öffnet. Der Knabe war dabei, als der Vertreter des Lichtes unaufhaltsam den Weg hinab ging von diesem Berg, denn der Berg war überwunden. Es gab keinen Berg mehr, der nicht hätte besiegt werden können. Warum hat der Knabe in hohem Alter nicht auch den Berg des Schwertträgers besiegt?

Er hat einstmals das Tor der uneinnehmbaren Burg ganz alleine aufgerissen. Welche Burg hätte ihm jemals stand halten können? Welche Mauern hätten hoch genug und schwer genug sein können, dass derjenige, der sich im wahren Namen seines Schöpfers einsetzt, aufgehalten hätte werden können? Warum hat er diesen Schwerthieb in der Nacht der Macht zugelassen?

Die Waisen und Armen hat er jede Nacht heimlich mit Gütern versorgt, so dass sie nicht hungern mussten. Er kam so, dass er nicht entdeckt wurde. Die Beschenkten wussten nicht, wer sie stets versorgt hat. Jetzt gab es keine Geschenke mehr, und alle ahnten, wer die Geschenke gebracht hat. Warum hast Du die Waisen noch mehr verwaisen lassen? Warum bist Du gegangen?

Ja, diese viel zu vielen sturen, herzlosen Menschen in Deiner Umgebung haben Dich immer wieder im Stich gelassen, sie haben Dich verraten und verkauft. Obwohl Du das Licht des Propheten (s.) widergespiegelt hast, haben sie für einen Vertreter der Dunkelheit gekämpft, sie haben gegen Dich gekämpft, aber hattest Du nicht auch einige treue Anhänger. Und was ist mit zu Deinem zum Martyrium bereiten Söhnen, die alles tun würden, um Dich zu schützen? Was ist mit Deinen heldenhaften Töchtern? Hättest Du nicht zumindest um Ihretwillen bleiben können?

Ja, die Herzen fließen über von Fragen. Und immer wieder ist es die gleiche Frage: Warum bist Du gegangen?

Doch was ist das für eine armselige Frage? Was ist das für ein Unwissen aus der Zeit der Unwissenheit, eine Ignoranz der Diesseitsliebe, eine Blindheit mit offenen Augen? Wie kann man diese Frage stellen, wenn man den Sinn des Lebens kennt? Wie kann man dem Befehlshaber der Gläubigen und Fürsprecher aller Wahrheitsliebenden und -suchenden diese Frage stellen? Warum sind wir denn erschaffen worden? Ist es nicht die Liebe Gottes, die wir in der höchsten Stufe der Freiheit genießen sollen? Soll nicht der Überfluss der Liebe Gottes unsere Herzen überfluten, damit nicht nur Er uns näher ist als unsere eigene Halsschlagader, sondern auch wir Ihm – dem Allmächtigen – nahe kommen?

Und wenn das Kind im Mutterleib gereift ist, warum sollte es nicht geboren werden? Welche Kerze erfüllt ihren Sinn, ohne zu zergehen? Wenn die Zeit reif ist, wird dann nicht selbst die Sonne explodieren? Wer würde sich dagegen wehren, dass das Reife Kind im Mutterleib endlich geboren wird?

Der Hass kann die Liebe niemals bezwingen, denn die wahre Liebe ist stärker und unbesiegbar. Die Liebe ist so stark, dass selbst der Hass ihr dienen muss. Hat nicht einst Satan in seinem Neid und Hass den Menschen von Gott getrennt, ohne zu ahnen, das genau das notwendig war, damit der Mensch in der Trennung von Gott durch sein Bekenntnis in Freiheit ein viel höhere Stufe anstreben kann, als er es vorher konnte? Wenn die Zeit reif ist, dann kann niemand einen Wahrhaftigen aufhalten, seiner Bestimmung entgegen zu gehen. Der größte aller Propheten (s.) wartete schon auf ihn, denn an seiner Seite sollte er sein. Die Beste aller Frauen (a.) wartete schon auf ihn, denn mit ihr sollte er vereint sein. Und seine Zeit war gekommen. Nicht der Todesengel wartete auf ihn, sondern er wartete auf den Todesengel, den er gerufen hatte. Er gehörte zu jenen, die ihre Seele selbst übergeben! Welch eine Ehre für einen Engel, solch einen Menschen abholen zu dürfen! Das Schwert des Hasses kann doch nichts anderes vollbringen, als unfreiwillig der Liebe zu dienen.

Und so ist gestern Nacht ein Märtyrer zu Seinem Herrn aufgestiegen aus den Niederungen der Herabsendung. Er lebt, aber wir verstehen es nicht. Doch wie blind muss man sein, um das zu übersehen? Vierzehn Jahrhunderte nach seinem Martyrium weinen seine Anhänger immer noch Tränen um ihn. Welcher Tote könnte so viele Tropfen der Liebe in das Meer der Gnade fließen lassen?

Der letzte Teil des Heiligen Monats Ramadan hat begonnen. Es sind die Tage, in denen das erhellte Herz und der erleichterte Körper neue Kraft geschöpft hat, um neue Aufgaben anzugehen, bis auch für uns der Tag kommt, an dem wir reif sind für den großen Schritt zum Schöpfer. Möge der Befehlshaber der Gläubigen (a.) dann unser dahinscheiden mit seiner Fürsprache begleiten.

Yavuz Özoguz  
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Tränen der Liebe in der Nacht der Macht

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