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Tränen der Liebe in der Nacht der Macht

#1 von Yavuz Özoguz , 09.08.2012 11:00

Tränen der Liebe in der Nacht der Macht

Es ist nicht leicht, die Ereignisse in dieser Welt zu verstehen, wenn man die Urquelle der Geschehnisse nicht kennt und aus der Projektion nicht auf die Quelle des Lichtes schließen kann.

Heute Nacht ist die zweite der besonderen Nächte des Heiligen Monats Ramadan. Der Schöpfer lädt seine Geschöpfe ein das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und zu verändern. Das einzelne, aus dem Thron des Schöpfers im Herzen eines wahren Gläubigen gesprochene Bittgebet kann in solch einer Nacht die Welt verändern. Heute Nacht ist gleichzeitig die Nacht, in der Imam Ali (a.) zu seinem Schöpfer heimgekehrt ist. Die Ereignisse schildert kein Geringerer als die Heiligkeit unserer Zeit Imam Chamene’i in einer herzzerreißenden Freitagsansprache des Vorjahres:

http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=9RYZ02p5DsY

Möge Gott den Bruder belohnen, der dieses Video mit deutschen Untertiteln den deutschsprachigen Gläubigen bereitgestellt hat. Es sind Ereignisse, die die Tränen auf die Wangen fließen lassen. Ja, auch der so beherrschte Vertreter des Hauses des Propheten, Imam Chamene’i, kann während seiner eigenen Rede nicht umhin, kurzzeitig ins Weinen zu geraten. Die Zuhörer sind ohnehin entfesselt und weinen Tränen über Tränen. Es geht um die heiligsten Menschen aus der Zeit nach dem Propheten (s.). Was sie erleiden mussten, liegt über 1400 Jahre zurück. Und doch ist es gegenwärtig für einen Muslim. Es ist, als wenn es hier und heute geschieht.

Für die Mehrheitsgesellschaft erscheinen diese Szenen geradezu skurril. Der Mächtigste Mann von Milliarden von Schiiten in der Welt steht an einem Mikrofon und spricht über ein Ereignis, dass über 1400 Jahre zurück liegt und er weint dabei! Das ist hier nicht vorstellbar. Die tiefen Emotionen, die in den Tausenden und Abertausenden im Publikum frei werden, sind nicht vorstellbar. Die Tatsache, dass Millionen an den Fernsehschirmen im Iran das Geschehen verfolgen und mitweinen ist nicht vorstellbar. Dass sogar Jahre später in einem fernen Land Menschen das Video ansehen und dabei weinen, ist so schwer zu verstehen für die Mehrheitsgesellschaft, die vom heiligen Monat Ramadan nur den Fastencharakter kennt, aber nicht die Tränen der Liebe.

Doch woran liegt das? Zweifelsohne sind wir Muslime an dieser Situation maßgeblich mitschuldig, weil wir die wahren Aspekte, den inhaltlichen und vor allem spirituellen Reichtum des Islam so wenig vermittelt haben. Wir haben unseren Mitmenschen diese Dinge so wenig erklärt, dass sie es gar nicht verstehen können. Vielleicht haben wir selbst diese Tränen der Liebe auch noch nicht hinreichend verstanden, um sie anderen erklären zu können. Ein anderer Grund aber liegt in der geistigen Verarmung der Menschen. Der Mensch in der westlichen Gesellschaft ist verkümmert zu einem Sklaven der Märkte. Er kennt keine Tränen mehr, außer Tränen des körperlichen Schmerzes. Er kennt kaum wahre Liebe mehr. Begriffe wie Treue und Hoffnung sind ihm nur noch im Zusammenhang mit kapitalistischen Gütern vertraut, nicht aber mit seinem eigenen Herzen. Die Studenten, die einstmals an Universitäten zu ganzheitlichen Persönlichkeiten heranreifen sollten, werden jetzt zu Dienern der Börsen durchgeschleust, mit viel “technischem“ Wissen aber ohne Sinn für sein eigenes Dasein. Dabei sind es gerade die Tränen, die den Menschen zum Menschen machen.

Imam Chamene’i erzählt von der herzergreifenden Szene, wie der schwer verletzte Imam Ali (a.) sich von seinen Nahen verabschiedet, nachdem ihn das teuflische Schwert eines Mörders getroffen hat, während er sich in der erhabensten Stellung des Rituellen Gebets befand, in der Stellung der Niederwerfung. Die damals teuflische Macht dachte einen Sieg errungen zu haben, indem sie die Heiligkeit der Zeit ermorden ließ. Die Kurse an der damaligen Wallstreet schossen in die Höhe. Das Goldene Kalb wurde über die Marktplätze getragen. Die Anbetung von Gold, Prunk, Luxus und materiellem Tand hatte seinen Höhepunkt erreicht. Und doch ... es war nichts anders als eine der größten Niederlagen der damaligen Gewaltherrschaft, denn es gab Tränen, Tränen der Liebe!

Der Nachfolger in der Bürde der Heiligkeit der Zeit, Imam Hasan (a.), weinte um den Vater, aber noch mehr um die Heiligkeit der Zeit. Der spätere Held von Kerbela und Fürst der Märtyrer, Imam Husain (a.), weinte um seinen Vater und noch mehr um die Heiligkeit der Zeit obwohl er selbst noch viel grausamer ermordet werden sollte. Zainab, die Heldin von Kerbela, weinte und ihre Tränen rührten den Vater zu Tränen. Tropfen, die die Wangen herunterlaufen, Tropfen des Lichts. Imam Chamene’i schildert, wie ein Tropfen der Tränen von den Wangen Imam Hasans (a.) auf das blutüberströmte Gesicht Imam Alis (a.) fiel. Was für ein Elixier der Faszination und Liebe entsteht aus solch einer Mischung; die Träne Imam Hasans (a.) mit dem Märtyrerblut Imam Alis (a.)? Ist es wirklich so schwer zu verstehen, was der Lichtvers im Heiligen Qur’an „Licht über Licht“ bedeutet?

Doch woher kommen diese Tränen der Liebe? Imam Ali schildert, was er kurz vor seinem Ableben sieht: Er sieht den Propheten (s.), und wie dieser beste aller Menschen ihm immer näher rückt. Er sieht Fatima (a.) seine geliebte Frau. Es sieht das Paradies. Aber das Paradies ist nicht irgendein Garten mit irgendwelchen Blumen und Bächen. Es ist der Aufenthaltsort aller Liebe. Es ist der Garten der Liebenden. Die Bäche, die dort fließen, sind Bäche der Tränen der Liebe. „Darin sind Bäche mit Wasser, das nicht schal wird, und Bäche mit Milch, deren Geschmack sich nicht ändert, und Bäche mit Wein, der köstlich ist für diejenigen, die (davon) trinken, und Bäche mit geklärtem Honig.“ Die Tränen der Liebe in dieser Welt sind nur eine Projektion der wahren Flüsse. Sie lassen das “Ich“ im Herzen zerreißen und gehen auf im Fluss der ewigen Glückseligkeit im “Du“. Jede Träne der Liebe in dieser Nacht ist eine Träne, die aus dem Paradies in diese Welt überläuft. Es läuft über in das Herz des Gläubigen und dann über sein Auge in die Erde dieser Welt. Keine Atombombe der Unterdrücker, kein Markt der Kapitalisten, keine sonstige Waffe der Imperialisten ist in der Lage, diese Tränen aufzuhalten. Nie hatte der Teufel die Macht erhalten, den gottesehrfürchtigen Menschen irregehen zu lassen. Es war nur ein Trugbild. Die Tränen der Liebe aber sind Überfülle der Wahrheit.

Und diese Überfülle, diese “Kauthar“, wie es im Heiligen Qur´an heißt, floss über die Wange Imam Hasans (a.) auf das Gesicht Imam Alis (a.). Wie sollten wir beschreiben, dass die Liebe der Fatima (a.) über die Wangen ihres ältesten Sohnes läuft, um das Blut aus dem Gesicht ihres Mannes zu wischen? Wie wollten wir erklären, dass dieses eine Träne vom Paradies kündet? Wie sollte ein vor Liebe zerspringendes Herz jemandem, der die Liebe nicht kennt, erklären, was es gerade fühlt? Wie könnte ein Komponist einem Tauben die Musik erklären? Sind denn die Wissenden und die Unwissenden gleich?

Heute Nacht ist die zweite Nacht der Macht und das Martyrium des damaligen Befehlshabers der Gläubigen. Der Imperialismus glaubt, die Welt beherrschen zu können. Der Kapitalismus jagt den Menschen Angst ein vor Armut. Nationalisten wollen den Menschen eine Identität geben, die nicht mit ihrer menschlichen Natur übereinstimmt. Rassisten versuchen die Menschen zu entzweien, obwohl wir alle so sehr nach Einheit streben. Doch alle zusammen können nicht die Liebe in unseren Herzen vermindern, wenn wir es nicht zulassen.

Sie zerstören und morden überall in der Welt, um ihrer “Selbst“ willen und merken dabei nicht, dass jede Träne einer Mutter, die um ihr ermordetes Kind weint, stärker ist, als alle ihre Waffen, als alle ihre Befehlshaber, die sie nach Massenmorden zu Generälen dekorieren, als alle ihre Folterkammern, in denen sie sich selbst den Abgründen der Unmenschlichkeit hingeben. Eine einzige Träne der Liebe ist stärker.

Heute Nacht werden wieder viele dieser Tränen fließen. Und morgen und übermorgen und an so vielen anderen Tagen auch. Einst sagte Jesus (a.): „Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen. Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn das Himmelreich ist ihr.“ Wie armselig sind doch jene, die aus deren Herzen keine Tränen mehr überlaufen. Sie sind diejenigen, die glauben diese Welt zu beherrschen, und sie merken dabei nicht einmal, dass diese Welt sie beherrscht. Sie haben ihre Menschlichkeit verloren und kennen nicht mehr den paradiesischen Geschmack von Liebestränen, die die Lippen berühren. Jenen Geschmack möchte der Liebende nie missen.

Der mystische Dichter Baba Tahir dichtete einst:

Ich habe ein Herz, ganz von Liebe betört,
Von blutigen Tränen die Augen verstört;
Des Liebenden Herz gleicht dem frischen Holz:
Wenn ein Ende brennt, Blut dem andern entfährt.


Im Namen des gesamten Muslim-Markt-Teams wünschen wir allen unseren Lesern gesegnete heilige Nächte.

Yavuz Özoguz  
Yavuz Özoguz
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