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Hadsch-Reise: Zwischen Umra und Hadsch

#1 von Fatima Özoguz , 27.11.2012 14:35

Zwischen Umra und Hadsch

Begegnung mit saudischen Schiiten

Die Umra ist zu Ende und der Ihram- Zustand – erst einmal – aufgehoben.
Dienstag, den 23. 10 gab es eine Gedenkfeier anlässlich des Ablebens von Imam Baqir (a.s) in der Hussainiyya des Vertreters von Imam Khamenei in Mekka. Bei der Ankunft dort wurde ich mit meinen drei Zimmergenossinnen in einen großen Raum geleitet, in dem nur Frauen waren. Eine ältere, sehr mütterlich wirkende Dame begrüßte uns sehr herzlich, die uns zu Ehren ihre letzten Brocken Englisch hervorkramte. Sie stellte sich später als die „Murschida“ (Anführerin) der Frauen-Hadsch-Karawane vor, die sich dort versammelt hatte. Es waren ungefähr 50 Frauen jeglichen Alters, aber die meisten waren schon recht jung. Während wir Platz nahmen, sprach noch ein Gelehrter im ortsüblichen Dialekt , der für mich nicht so leicht zu verstehen war. Aber es stellte sich im Laufe der späteren Gespräche heraus, dass viele nicht so gut Hocharabisch können. Verstehen schon, aber nicht sprechen.
Als der Gelehrte fertig war, wurden wir aufgefordert, von uns zu erzählen, wie wir zur Schia gekommen waren. Die Libanesin in unserer Gruppe war es ja von Geburt an, aber wir anderen sind ja alle nachher „konvertiert“, und das interessierte sie sehr. Wir mussten alles erzählen, was uns dazu gebracht hatte, sozusagen die ausgetretenen Pfade zu verlassen.
Nachher gab es Essen, und dabei ergab sich auch die Gelegenheit, dass wir unsere Fragen stellen konnten über die Situation der Schiiten in Saudi-Arabien, und wir bekamen viel Trauriges zu hören. Nicht nur dass die Kinder oftmals als „Ungläubige“ in den Schulen diskriminiert werden, die Karawanen-Führerin erzählte auch von ihrem Sohn, der verhaftet und gefoltert wurde. Überall Repression und Unterdrückung durch die Wahhabiten. Einige der Schwestern hatten auch eine Ausbildung in der Hauza (religiöse Hochschule) in Qom (Iran) absolviert und schwärmten von den Freiheiten, die Frauen im Iran haben. In Saudi-Arabien dürfen Frauen ja nicht einmal Autos steuern.
Danach wurden wir noch zu den Männern gerufen, der Vertreter von Imam Khamenei wollte uns gerne kennenlernen. Nach einigen schönen Gesprächen fuhren wir wieder gegen 18 Uhr ins Hotel. Um 19.30 gingen wir noch mal zum Haram. Das war überhaupt das Allerschönste für uns: Einfach da sitzen, die Ka´ba anschauen, Gebete und Dua zu machen oder Qur´an zu lesen. Wir saßen immer an einer Stelle gegenüber dem „Bab al- Fath“, das war sozusagen der unausgesprochene Bereich , wo sich viele Schiiten immer trafen. Dort waren auch die meisten Gelehrten anzutreffen, an ihren schwarzen oder weißen Turbanen recht gut zu erkennen.
Die libanesische Schwester in unserer Gruppe hatte sich vorgenommen, den Quran dort durchzulesen und ermutigte mich auch dazu. Denn nach einer Überlieferung, die auch „unserer“ Gelehrter bestätigte, sieht man den Propheten (s.a.s), bevor man stirbt, wenn man in Mekka einmal den Qur´an durchliest. Ich entgegnete, das würde ich doch sowieso nicht schaffen, aber sie ließ Gott sei Dank nicht locker. Denn „dank“ der vielen Wartezeiten, etwa auf Busse und ähnliches, hatten ich viel Zeit dazu, vor allem wenn wir nachts bei der Ka´ba saßen, und alhamdulillah gelang es mir doch, den Qur´an durchzulesen, solange wir in Mekka waren. Und das war recht lange, auch nach den Hadsch-Ritualen blieben wir noch über eine Woche dort.
Besonders schön waren auch die gemeinsamen freiwilligen Tawwaf mit meinem Mann, Hand in Hand... und uns ist es dabei einmal noch mit Allahs Hilfe gelungen, an die Ecke heranzukommen, an der Fatima bint Asad mit ihrem Kind Imam Ali (a.s.) herausgekommen ist. Die Saudis versuchen immer wieder, diese Stelle unkenntlich zu machen, aber die Farbe blättert immer wieder ab, und so ist diese Stelle unübersehbar.
Meinem Mann gelang es sogar einmal, den Schwarzen Stein zu berühren, allerdings allein. Denn für Frauen ist es wirklich lebensgefährlich. Er versuchte bei unseren späteren Aufenthalten bei der Ka´aba, mich dort hinzubringen, aber mir wurde doch ganz anders, als ich plötzlich den Arm eines Mannes an der Kehle hatte, der das natürlich nicht absichtlich getan hatte. Schade, 20 cm fehlten....Noch ein Tip für alle, die dieses nicht ganz ungefährliche Unterfangen trotzdem versuchen wollen: Brillenträger sollten unbedingt die Brille abnehmen, da sie da leicht kaputtgehen kann. Ein Bruder hatte dabei seine Brille schon verloren.
Dann saßen wir so in der Gruppe zusammen und unterhielten uns so, auf Deutsch. Da kam eine Gruppe junger Männer aus Azerbaidschan zu uns, und einer von ihnen, der sehr viel Licht im Gesicht hatte, sprach uns auf Deutsch an. Es stellte sich heraus, dass er im Goethe-Institut Deutsch gelernt hatte in einem halben Jahr, aber „leider keine Praxis hätte“, wie er sagte. Dafür sprach er aber sehr gut! Nach und nach, obwohl wir uns natürlich nicht zu fragen trauten, kristallisierte sich heraus, dass sie auch Schiiten und Anhänger von Imam Khamene´i waren.
Die Rückfahrt zum Hotel wurde zum Abenteuer. Wir haben den Haram über einen anderen Ausgang als sonst verlassen, und überall sahen wir Menschen auf der Straße schlafen. Meist Männer, aber manchmal waren auch Frauen dabei, die sich ganz unter eine dünne Decke begeben hatten. Das war schon ein für uns recht ungewohnter Anblick.
Mittwoch, 24. 10.
Die eigentlichen Hadsch-Zeremonien rückten immer näher, und die Spannung stieg merklich an.
Nach dem Frühstück machten wir uns daran, uns gegen den Shaitan zu bewaffnen. D.h. Wir sammelten Steine für die bevorstehenden Steinigungen der Götzen (Jamarat). Eigentlich tut man das erst in Muzdalifa, aber es ist auch erlaubt, das vorher zu tun, zumindest in der Schia. Zum Bewerfen später mehr.
Die Steine dürfen nicht zu klein und nicht zu groß sein. Wir machten noch Witze, dass wenn es eine rein deutsche Gruppe gewesen wäre, die wohl mit Briefwaage und Maßband zugange sein würden....aber ich wage mal die politisch unkorrekte Mutmaßung, dass es wohl in Mekka sauberer wäre, würden dort mehr Deutsche sein. Denn leider kommt man um die Feststellung nicht herum, dass die Leute überall ihren Müll hinwerfen.
Nach dem Steinesammeln saßen wir noch mit unserem Sayyed zusammen und bereiteten uns seelisch auf Arafat vor. Allein die Vorstellung, dass der 12. Imam auch dort sein wird, verursachte mir Gänsehaut. Und wieder stieg die Spannung....

Fortsetzung folgt inshallah.


Fatima Özoguz  
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Hadsch-Reise: Arafat und Muzdalifah
Bericht unserer Hadsch-Reise, Umra tamattu

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