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Warnt Imam Chamene’i uns Muslime? – Der Zeitpunkt des Briefes

#1 von Yavuz Özoguz , 01.12.2015 10:52

Warnt Imam Chamene’i uns Muslime? – Der Zeitpunkt des Briefes

Der vorgestrige zweite Brief an die Jugend im Westen ist sowohl vom Umfang, als auch von der inhaltlichen Tiefe derart epochal, dass er in den folgenden Wochen inschaallah in Einzelaspekte unterteilt betrachtet und analysiert werden soll. Meine Wenigkeit kann dabei nur Denkanstöße geben, denn mein Verständnis des Briefes stellt weder den Anspruch auf Vollständigkeit, noch den Anspruch auf Fehlerlosigkeit. Es sind vielmehr die Gedanken Eures geringen Bruders in Menschlichkeit.

Bevor auf den Inhalt des Briefes eingegangen wird, muss das Umfeld analysiert werden, in dem er geschrieben wurde. Der Zeitpunkt beinhaltet bedeutsame Hinweise. Erst letzte Woche war der russische Präsident Putin bei Imam Chamene’i. Die Bedeutung des Geschenkes, das er mitgebracht hat, sollte hier nicht unterschätzt werden. Die uralte Handschrift des Heiligen Qur’an war das wohl bisher wertvollste Geschenk, das jemals ein Gast Imam Chamene’i mitgebracht hat. Weniger bekannt ist, dass Putin ein zweites Geschenk für den Präsidenten Ruhani dabei hatte. Es war ein historisches Schild aus alten Waffenlagern. Wollte Putin damit den iranischen Präsidenten dazu auffordern, mehr Widerstand zu leisten gegen den Imperialismus? Der Brief an die westliche Jungend kam nur wenige Tage nach jenem Besuch.

Da er nicht unmittelbar nach den Terroranschlägen in Paris veröffentlicht wurde, kann von einer hinreichenden Bedenkzeit ausgegangen werden, so dass es nicht um wenige Tage mehr oder weniger angekommen wäre. Das ist deshalb so bedeutsam, weil wir unmittelbar vor dem größten schiitischen Ereignis in der heutigen Welt stehen. Über 20 Millionen Pilger treffen sich an diesen Tagen zum Arbain (dem 40. Gedenktag nach dem historischen Martyrium von Aschura) in der Stadt Kerbela. Allein diese Zahl verdeutlicht, dass es sich um das weltgrößte Ereignis mit Menschenbeteiligung handelt. Kein anderes Großereignis kann es damit aufnehmen. 20 Millionen Pilger bedeuten Hunderte Millionen Angehörige, die weltweit mitfiebern. Auch aus unserem Bekanntenkreis sind Nahestehende in Kerbela! Insofern sind die Gedanken der Schiiten derzeit auf dieses Ereignis fixiert, was auch das Ende der Trauerzeit markiert. Der Brief hätte nichts an seiner Ausstrahlung und Bedeutung verloren, wenn er nur wenige Tage später nach diesen Ereignissen veröffentlicht worden wäre. Die Tatsache, dass er dennoch vor Arbain veröffentlicht wurde, könnte auch eine Ohrfeige an uns Muslime, insbesondere an uns Schiiten sein!

Was nützen 20 Millionen Pilger an einem derart heiligen Ort, wenn diese Pilger nichts von dem heutigen Vertreter Imam Husains auf Erden wissen wollen? Was nützen solche Zeremonien an der Seite der Revolutionäre von vor 1400 Jahren, wenn das Oberhaupt der Islamischen Revolution in unseren Tagen allein gelassen wird? Was nützt die Ansammlung von 20 Millionen Anhänger der Befreiungstheologie des Islam, wenn die Anhänger in den Herkunftsländern nicht einig wirken können? Was nützt das demonstrative Bekunden an der Seite der Anhänger Imam Husains zu stehen, die sich für die Unterdrückten ihrer Zeit aufgeopfert haben, wenn man die Hilferufe der heutigen Unterdrückten aus Palästina seit 70 Jahren ignoriert, obwohl die Heiligkeit unserer Zeit bei jeder zweiten Rede auf das heutige Leid hinweist.

Der Zeitpunkt des Briefes kann ein Weckruf sein! Seit nunmehr 26 Jahren ist die Heiligkeit unserer Zeit bei uns. Viele Christen haben das erkannt, darunter offensichtlich auch Putin und zahlreiche Russen. Darunter offensichtlich auch eine Reihe Jugendlicher in der Westlichen Welt, denen Imam Chamene’i für die Zukunft viel zutraut. Die westliche Jugend verfügt über ein hohes Bildungsniveau und über ein vergleichsweise freies Denken, das eigene Ketten sprengen kann. Dazu ein Beispiel von Gestern: Gestern wurde eine Studie verbreitet über die Internetsucht von Jugendlichen, und wie weit sie verbreitet ist (unabhängig von der Pornosucht). Die Sucht hat gefährliche Ausmaße erreicht. Und zweifelsohne gibt es diese Sucht bei allen Jugendlichen in allen Ländern und religionsübergreifend! Doch in der Westlichen Welt hat man das Problem erkannt und sucht Auswege, was man von uns Muslimen kaum sagen kann.

Seit 26 Jahren haben wir Schiiten auch in Deutschland die unvorstellbare Gelegenheit in der Zeit der Heiligkeit unserer Zeit Imam Chamene’i leben zu dürfen. Hat uns das geholfen ein Minimum an Einigkeit aufzubauen, oder überwiegt der Zwiespalt? Hat uns das dazu gebracht die Ketten nationaler Herkunft zu sprengen und die im Islam vorgelebte Einheit der Menschen zu praktizieren, oder sind manche unter uns noch viel nationalistischer als die Mehrheitsgesellschaft, in der wir leben? Haben wir uns mehrheitlich für die Unterdrückten in der Welt, insbesondere für Palästina, eingesetzt oder haben wir mehr wert darauf gelegt, dass uns irgendwelche Politiker achten und wir nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden?

Vor 40 Jahren war Schia ein mehr oder minder totes Wort in der Welt des Islam und Islam die am meisten verachtete Religion. Heute können die Imperialisten nur noch mit Hilfe der von ihnen gezüchteten Monster das wachsende Ansehen des Islam und der Schia schädigen. Der Islam ist die weltweit am schnellsten wachsende Religion. Den Wendepunkt in dieser historischen Entwicklung stellte die Islamische Revolution im Iran dar. Die wahren Feinde der menschlichen Befreiungstheologie behaupten noch heute, dass der Iran die größte Gefährdung für ihre imperiale Macht sei. Haben wir das erkannt und haben wir uns entsprechend an die Seite der Antiimperialisten gestellt?

Seit 26 Jahren lehrt Imam Chamene’i uns, dass die Grenzen der Menschheit weder zwischen Muslimen und Nichtmuslimen verlaufen, noch zwischen Schiiten und Sunniten. Seine herzlichen Beziehungen zu Vertretern aus Bolivien und Venezuela waren immer deutliche Zeichen. Die wahre islamische Front verläuft zwischen der Bruderschaft der allermeisten Menschen gegen die Handvoll Unterdrücker und Superreichen dieser Welt. Haben wir das verstanden und in unserem Leben umgesetzt? Oder gibt es immer noch Gruppen unter uns, die am liebsten gegen Sunniten agieren und/oder Christen ihren Unglauben vorwerfen wollen? Haben wir erkannt, dass selbst jemand, der offensichtlich Gott verleugnet, sich aber für Gerechtigkeit einsetzt, unser Bruder in Menschlichkeit ist, setzt er sich doch für ein Attribut Gottes ein, ohne es zu wissen. Ist er nicht dennoch Träger eines Herzens, in dem vom Geiste Gottes eingehaucht wurde?

Seit 26 Jahren hat Imam Chamene’i seine Nachbarvölker eingeladen zur Einheit, zum gemeinsamen Einsatz gegen Ungerechtigkeit, zum Einsatz gegen Imperialismus, zur Unterstützung der Palästinenser, zur Öffnung der Grenzen, zum Miteinander auf Basis der Gerechtigkeit und Nächstenliebe. Haben die Völker diesen Aufruf befolgt? Lieben die Afghanen Imam Chamene’i, so dass sie ihm seinen Einsatz für Afghanistan danken? Lieben die Iraker Imam Chamene’i, so dass sie ihm den Einsatz für die Iraker danken? Lieben die Türken Imam Chamene’i, so dass sie der künstlich erzeugte Feindschaft im eigenen Land widersprechen? Lieben die Pakistani ihn – zumindest die Schiiten im Pakistan – und hören endlich mit einigen das Ansehen des Islam schädigenden Riten auf, wie der Imam es fordert? Und wie ist es mit den Iranern? Haben die Vertreter des Staates endlich die unaufhörliche Aufforderung Imam Chamene’is befolgt eine echte islamische Widerstandswirtschaft aufzubauen und endlich ein alternatives islamisches Geldsystem zu etablieren? Hat die Bevölkerung ihre Repräsentanten dazu gedrängt, den Widerstand gegen den großen Satan USA und den Widerstand gegen das Imperium USA-Zionismus-GB zu intensivieren? Oder ist das Ergebnis auf alle diese Fragen derart dürftig, dass irgendwann die einmalige Chance, die wir alle haben, uns genommen wird? Vergessen wir niemals den Heiligen Vers im Heiligen Qur’an:

„Oh ihr diejenigen, die überzeugt sind, wer von euch von seiner Religion rückkehren wird, wisset, Allah wird bald ein anderes Volk kommen lassen, das er liebt und das ihn liebt, Bescheidenste zu den Überzeugten und Gewaltigste gegen die Glaubensgegner; sie werden sich auf Allahs Weg anstrengen und sie fürchten nicht den Vorwurf des Tadelnden. Das ist Allahs Huld; er wird sie zukommen lassen, wem er will; und Allah ist Allumfassend, Allwissender.“ (5:54)

Ja, wir haben obigen Vers auf die Iraner bezogen. Die Araber und Türken haben 1400 Jahre die Karawane des Islam in den Abgrund geführt. Jetzt haben eben die Iraner die Chance erhalten und wahrlich, mit der Islamischen Revolution haben sie etwas Historisches aufgebaut! Die Islamische Republik Iran ist ein System der Befreiungstheologie, das in einer vernünftigen Weiterentwicklung zur Befreiung der gesamten Menschheit führen kann. Wenn Russen den Hinweisen der Heiligkeit unserer Zeit mehr Vertrauen schenken, dann haben sie es auch verdient, den Erfolg für sich verbuchen zu dürfen. Wenn der russische Außenminister nur eine Tag, nachdem er die Worte Imam Chamene’is gehört hat, exakt die gleichen Worte und Forderungen von sich gibt, hat er es verdient, dem wahren Erfolg näher zu sein, als so viele muslimische Vertreter die am liebsten den Worten Imam Chamene’is widersprechen. Wenn die Muslime bis heute das Verbrecher-Regime Saudi-Arabiens nicht erkannt haben oder nicht erkennen wollen und immer noch an eine Art Islam unter jenen Herrschern glauben, haben sie es auch nicht besser verdient, als die Auswirkungen des darauf aufbauenden Terrors zu ertragen. Und wenn die Deutschen ein libanesisches Waisenkinderprojekt im Dienste des Zionismus zerstören, und gleichzeitig den Saudischen Verbündeten freie Hand lassen, dürfen sie sich nicht wundern über die Auswirkungen in Deutschland.

Imam Chamene’i hat einen Zeitpunkt für die Veröffentlichung seines Briefes gewählt, der vor allem für uns Muslime, insbesondere für uns Schiiten in Deutschland, eine aufweckende Ohrfeige sein sollte! Wir müssen die teils kindischen Streitigkeiten beiseite legen und uns unter der Führung der Heiligkeit unserer Zeit – in Deutschland vertreten durch den ranghöchsten schiitischen Geistlichen ganz Europas! – zu vereinigen. Dann können wir die Rolle einnehmen, die uns bereits in dem ersten Brief zugedacht worden ist, nämlich die authentische Quelle zu sein, bei der sich die Jugend in Deutschland informieren kann über den Islam. Während in Deutschland einige Regierungsmitglieder die Anerkennung des Existenzrechts Israels zur Voraussetzung für Integration machen wollen, müssen wir verdeutlichen, dass die Anerkennung eines Apartheidsstaates uns unmenschlich und zu Verfassungsfeinden machen würde, wie es offensichtlich bereits bei denen geschehen ist, die das fordern!

Ein Attribut des Propheten des Islam heißt: Gnade für die Universen! Wenn es uns Muslimen nicht gelingt, zumindest eine Gnade für unsere Familien, für unsere Nachbarn, für unsere Verwandten und für unsere kleinen Gemeinschaften zu sein, wie könnten wir dann behaupten Anhänger dieses Propheten zu sein, der heutzutage so heftig geschmäht wird in der Westlichen Welt. Wenn Imam Chamene’i sich dennoch an die Jungend hier wendet, dann ist das für uns Aufgabe und Verpflichtung, es ihm gleich zu tun und Wege zu suchen, wie wir die Jugend besser erreichen können. Und wenn wir das aufrichtig und standhaft tun, wird der Schöpfer allen Seins uns Wege eröffnen – so Gott will.

So Gott will – wird meine Wenigkeit in den nächsten Tagen auf die Inhalte des neuen Briefes eingehen.


Yavuz Özoguz  
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zuletzt bearbeitet 01.12.2015 | Top

RE: Warnt Imam Chamene’i uns Muslime? – Der Zeitpunkt des Briefes

#2 von Dörte Donker , 01.12.2015 13:53

Lieber Yavuz

Zitat
Dann können wir die Rolle einnehmen, die uns bereits in dem ersten Brief zugedacht worden ist, nämlich die authentische Quelle zu sein, bei der sich die Jugend in Deutschland informieren kann über den Islam.



Das ist auch wirklich bitter nötig, denn wenn ein deutscher Jugendlicher oder junger Erwachsener anfängt sich für den Islam zu interessieren, stößt er fast nur auf Propaganda der Salafisten und lernt dazu noch einige Lügen über das Schiitentum. Hinzu kommt noch, wenn man dann mal auf Veranstaltungen von Schiiten geht, man als eingeborener Deutscher eher Misstrauen erntet und auf Verschlossenheit stößt, während Salafisten sich offen und herzlich geben.
Für den schiitischen Islam hier in Deutschland, der den Menschen sehr viel zu bieten hat, ist das m.E. eine Katastrophe. Der Islam ist in Deutschland angekommen, fragt sich nur welche Spielart sich hier verbreiten wird. Die Zeiten sind vorbei, wo man das gelassen aussitzen sollte.


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RE: Warnt Imam Chamene’i uns Muslime? – Der Zeitpunkt des Briefes

#3 von Stephan Schaefer , 02.12.2015 19:37

AsSalam Aleikum

Zitat
Imam Chamene’i hat einen Zeitpunkt für die Veröffentlichung seines Briefes gewählt, der vor allem für uns Muslime, insbesondere für uns Schiiten in Deutschland, eine aufweckende Ohrfeige sein sollte! Wir müssen die teils kindischen Streitigkeiten beiseite legen und uns unter der Führung der Heiligkeit unserer Zeit – in Deutschland vertreten durch den ranghöchsten schiitischen Geistlichen ganz Europas! – zu vereinigen. Dann können wir die Rolle einnehmen, die uns bereits in dem ersten Brief zugedacht worden ist, nämlich die authentische Quelle zu sein, bei der sich die Jugend in Deutschland informieren kann über den Islam.



Ich lebe mittlerweile seit mehr als 8 Jahre hier in Qom/Iran und sah so einiges, so dass ich so manche Rede Imam Khamane'is in einer besonderen Form betrachte bzw. analysiere.
Imam Khamane'i versteckt manche Aussagen, wenn es notwendig ist, sie auszusprechen, jedoch die direkte Aussprache der Position des Wali AL-Fiqh widerspricht.
Ich bemerke schon seit Jahren, dass Imam Khamane'i nicht nur warnt sondern auch seine Unzufriedenheit versteckt zeigt.
Es ist hierbei zu bemerken, dass seine Position als Wali AL-Fiqh besondere Charaktereigenschaften und Verhalten verlangt. Zum Beispiel darf er laut Imam Khomeini niemals zornig werden und auch seine Worte dürfen niemals erniedrigend sein. Wer die Sätze genauer untersucht, so sagt er manchmal etwas lobend aber fügt hinzu, dass es besser sein könnte. Oder er verweist darauf, dass die guten Ratschläge nicht von ihm selbst stammen sondern von Imam Khomeini.
Im ersten Fall ist er (ein bisschen) unzufrieden mit der geleisteten Arbeit und im zweiten zeigt er seine Unzufriedenheit, dass die Gesellschaft die Ratschläge Imam Khomeinis noch immer nicht annahmen.
Ich erinnere daran, dass in einem ihrer letzten Postings erinnerten, dass Zeinab Al Kubra (as) zu den Kufis sagte: "Eure Tränen nützen euch nichts!", was bedeutet, dass die Kufis besser am 10. Muharram bereit sein sollten als jetzt darüber zu heulen, dass der verfluchte Jazid den Imam tötete.

Wa aleikum salam

Stephan Schaefer  
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Ewige Schande
Der Brief des Imams – Warum ausgerechnet an die westliche Jugend?

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