von
Werner Arndt
, 21.04.2021 11:12
Zitat
21.04.2021
Wissenschaftler fordern Pandemie-Bewertung anhand von Klinik-Neuaufnahmen
Experten vom Helmholtz-Zentrum, Intensivmediziner und Statistiker warnen: Die Sieben-Tage-Inzidenz sei kein guter Orientierungspunkt für Corona-Maßnahmen mehr. Sie fordern, auf die Zahl der Neuaufnahmen auf den Intensivstationen binnen sieben Tagen zu schauen.
Zur Bewertung der Lage in der Pandemie bringen Experten als Orientierungswert die Zahl der Intensivstation-Neuaufnahmen binnen sieben Tagen ins Spiel. Die Inzidenz, also die Zahl der Infektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche, korreliere bereits jetzt nicht gut mit der Lage, bekräftigte der Epidemiologe Gérard Krause am Dienstag in einer Video-Schalte des Science Media Center (SMC). Der Wert könne Risiken sowohl über- als auch unterschätzen.
Gebraucht würden mehrere Indikatoren, um die Lage sachgerecht abzubilden und gezielte Maßnahmen zu treffen, so der Experte vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Das Robert-Koch-Institut (RKI) liefere eine Vielzahl an Daten, die bei der Entscheidungsfindung leider nicht berücksichtigt würden, so Krause. „Wenn man gezwungen ist, sich auf nur einen Messwert zu beschränken – und das scheint so zu sein –, dann wäre die Zahl der Neuaufnahmen auf Intensivstationen das, was der Situation am ehesten gerecht wird.“
Fokus auf die Schwerkranken
Einen Fokus auf schwer Erkrankte zu setzen, werde künftig noch wichtiger, da sich die Sieben-Tage-Inzidenz zunehmend von der eigentlichen gesundheitlichen Lage entkoppele, sagte Krause. Grund seien zwei an sich erwünschte Effekte: zunehmende Tests, etwa an Schulen. Und die Impfungen der Risikogruppen, die hoffentlich die gesundheitliche Belastung sinken ließen. Die Zahl der Ansteckungen werde allerdings nicht in demselben Maße abnehmen. Damit sei die Sieben-Tage-Inzidenz „kein guter Orientierungspunkt mehr“.
Weil zwischen Ansteckung und Intensivstation einige Tage vergehen, gilt die Inzidenz als Indikator, der frühzeitig anzeigt, wie sich die Lage entwickelt. Aus Sicht von Christian Karagiannidis aus der wissenschaftlichen Leitung des Divi-Intensivregisters wären zeitlich Einbußen aber zu verschmerzen: Der Vorteil der Intensivbetten-Zahlen sei die größere Robustheit. Man sei nicht abhängig von täglichen Schwankungen und Verzögerungen im Meldewesen oder von Testfrequenzen. „Wir sehen ja wirklich das, was los ist.“ Er sprach sich für eine gemeinsame Betrachtung dieser Zahl in Verbindung mit Prognosemodellen zur Belegung der Intensivbetten aus. Man dürfe nie auf nur einen Wert blicken.
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Am Mittwoch stimmt der Bundestag über die sogenannte Bundes-Notbremse ab, am Donnerstag der Bundesrat. Vorgesehen ist – nach derzeitigem Informationsstand – eine Koppelung von Ent- und Verschärfungen der Maßnahmen je nach Entwicklung der Sieben-Tage-Inzidenz.
https://www.faz.net/aktuell/politik/inla...l-17304168.html